Noten in der Grundschule? Pro und Contra der Notengebung - Unterrichtsmaterial online bei Elixier

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In diesem Fachartikel werden die Vor- und Nachteile der Notengebung in der Grundschule im Vergleich zu reinen Verbalbeurteilungen diskutiert.

Anbieter:

Lehrer-Online | Eduversum GmbH, Taunusstr. 52, 65183 Wiesbaden

Autor:

Annette Holl

Lange Beschreibung:

Noten in deutschen Grundschulen In Deutschland ist es Sache der Kultusministerien der einzelnen Bundesländer über die Notenvergabe zu entscheiden. Aktuell erhalten die meisten Kinder in Klasse 1 und 2 reine Berichtzeugnisse und erst ab Klasse 3 Noten . Häufig ist das Zeugnis eine Mischform aus Fachnoten und einem Bericht , teilweise gibt es Kopfnoten ("Verhalten" und "Mitarbeit"). In Baden-Württemberg erhalten die Kinder schon am Ende des zweiten Schuljahres Noten in den Fächern Deutsch und Mathematik und einen Zeugnisbericht. Schleswig-Holstein hat von 2014 bis 2018 einen Versuch mit notenfreien Schulen durchlaufen, in Nordrhein-Westfalen gibt es in etlichen Modellschulen keine Noten, in Hamburg verzichten sogar einzelne Gymnasien auf Noten. Landesweit erproben Schulen alternative Modelle zu reinen Notenzeugnissen. So gibt es beispielsweise Rasterzeugnisse , in denen die Kompetenzen eines Kindes in jedem Fach angekreuzt werden. An manchen Schulen können die Eltern auf die Einsicht in die Noten ihres Kindes verzichten. Andernorts finden Lernentwicklungsgespräche mit den Eltern statt. In Rheinland-Pfalz arbeiten die Lehrkräfte in Englisch und Französisch mit Portfolios , in denen die Leistungen eines Kindes über mehrere Jahre dokumentiert werden. Warum über die Vergabe von Schulnoten so hitzig diskutiert wird, zeigt die folgende Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Schulnoten in der Grundschule. Pro Noten 1. Sie sind eindeutig. Jede Aufgabe in einer Klassenarbeit gibt Punkte. Am Ende ergeben die erreichten Punkte eine laut Notenschlüssel passende Note. Der Durchschnitt aller Leistungen ergibt die Zeugnisnote. Ein Kind erhält also eine klare Rückmeldung über seine Leistung, auch im Vergleich zu anderen. In einem Bericht können Schwachstellen gegebenenfalls nicht als solche erkannt werden, weil die Formulierungen beschönigend sind beziehungsweise die Lehrkraft standardisierte Formulierungen verwendet. 2. Sie steigern die Anstrengungsbereitschaft. Eine Schülerin oder ein Schüler kann sich anhand der Noten mit den Kindern seiner Klasse und seinen vorherigen Leistungen vergleichen ("Ich habe mich verschlechtert."). Eine weniger gute Note fordert dazu heraus, zukünftig besser abzuschneiden. Sie aktiviert den Leistungswillen und die Selbstdisziplin . In einem Berichtzeugnis kann ein Kind für jedes Fach eine positive Leistung herauslesen ("Du hältst die Lineatur perfekt ein."), weiß aber nicht, wie groß deren Gewicht in Bezug auf die gesamte Leistung ist. 3. Sie bereiten auf die Leistungsgesellschaft vor. Während die Noten in den meisten Bundesländern zwischenzeitlich keine Relevanz mehr für den Übertritt in die weiterführenden Schulen haben, stellen sie später die Weichen für die Berufswahl . Je besser die Leistungen, desto höher der mögliche Bildungsabschluss. Wird eine Schülerin oder ein Schüler lange Zeit über seine beziehungsweise ihre genaue Leistung im Unklaren gelassen, weil die Zeugnisberichte immer sehr wohlwollend über die Schwächen berichten, kommt in der weiterführenden Schule das böse Erwachen, was zu einem erheblichen Einbruch im Selbstwertgefühl führen kann. 4. Sie sind von den Eltern gewollt. Auch wenn viele Lehrkräfte, Politikerinnen und Politiker und Bildungsexpertinnen und Bildungsexperten alternative Zeugnisse befürworten, votiert die Mehrzahl der Eltern für Noten. So waren es beispielsweise in Berlin 86 Prozent, deutschlandweit sind es drei Viertel aller Eltern. Sie kennen das Notensystem aus ihrer eigenen Schulzeit und können mitunter wenig mit Zeugnisberichten anfangen. So steht am Ende eines langen Lernentwicklungsgespräches, in dem die Fertigkeiten eines Kindes beschrieben werden, nicht selten die Frage "Und was wäre das jetzt als Note?". 5. Sie sind zeitsparend. Während eine Lehrkraft für einen Zeugnisbericht lange Zeit am Schreibtisch verbringt, hat sie ein Zeugnis mit Ziffernoten schnell erstellt. Contra Noten 1. Sie erzeugen Druck. Weil Noten sortieren ("Der ist schlecht." / "Die ist gut."), setzen sie schwache Schülerinnen und Schüler unter Leistungsdruck . Außerdem führen sie oftmals auch zu häuslichem Stress , weil die Eltern enttäuscht reagieren und verlangen, dass ihr Kind mehr lernen soll, was von einem schwachen Kind mitunter nicht geleistet werden kann. Ein Gefühl des Versagens macht sich bei den betroffenen Kindern breit. 2. Sie hemmen die Lernmotivation. Bekommt ein Kind regelmäßig schlechte Noten, verliert es leicht die Lust am Lernen und strengt sich mitunter nicht mehr an, weil das Ergebnis für es vorhersehbar ist. In einer Bewertung in schriftlicher Form kann die Lehrkraft hingegen auch etwas über seine Fortschritte notieren, was auch im kleinen Rahmen motivierend sein kann. So macht es durchaus einen Unterschied, ob ein Kind beispielsweise 40 Fehler in einem Diktat hat und beim nächsten Mal nur 32, auch wenn das an der Note 6 nichts ändert. 3. Sie geben keine differenzierte Rückmeldung. Die Einzelleistungen beziehungsweise Teilkompetenzen eines Kindes in einem Fach verschwinden hinter der Zeugnisnote. So erhält ein Kind beispielsweise eine 3 in Deutsch. Daraus wird aber nicht ersichtlich, dass es zwar Mühe bei der Rechtschreibung und Grammatik hat, aber sein Leseverständnis und die Aufsätze gut sind. In einem Bericht hingegen werden die einzelnen Kompetenzen dargestellt. 4. Sie hängen vom Setting ab. Einer Studie mit über 1000 Lehrkräften zufolge wird derselbe Deutschaufsatz und dieselbe Mathearbeit von verschiedenen Lehrkräften mit Noten von sehr gut bis mangelhaft beurteilt. Während die eine beispielsweise nur die richtige Lösung bewertet, gibt es bei der anderen für den richtigen Lösungsweg Punkte, auch wenn das Ergebnis falsch ist. Ebenso spielt die Qualität des Unterrichts (Wie viele Stunden wurden die Kinder vorbereitet? Wurden ähnliche Aufgaben wie in der Klassenarbeit geübt?), die Zusammensetzung der Klasse , die Tagesform der Lehrkraft (Verweigert sie jegliche Hilfe oder gibt sie Tipps?) und so nebensächlich erscheinende Faktoren wie der Name eines Kindes (Ein "Kevin" wird beispielsweise per se schlechter bewertet als eine "Nele") oder die Stelle des Tests im Stapel bei der Korrektur eine Rolle (Beurteilungsfehler). 5. Sie widersprechen Erkenntnissen aus anderen pädagogischen Richtungen. In reformorientierten Schulen und Waldorfschulen sowie in den skandinavischen Ländern wird bis in die oberen Klassenstufen ohne Noten gelernt. Deren Schülerinnen und Schüler schneiden in standardisierten Tests nicht anders ab als solche, die mit Noten lernen. Zudem passt die Bewertung in Ziffern nicht zur aktuell von den Kultusministerien vorgegebenen pädagogisch-didaktischen Richtung, bei der das individuelle, selbstständige Lernen im eigenen Tempo im Fokus steht. Fazit Jedes Kind sollte Lernen angstfrei erleben dürfen und die Möglichkeit haben, seine eigenen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln, ohne dabei durch Noten demotiviert zu werden. Dennoch darf Schule kein utopischer Raum sein, der mit der Realität im späteren Berufsleben nichts gemein hat. Deshalb müssen Schülerinnen und Schüler irgendwann anhand von Noten über ihre Leistung informiert werden. Je später dies geschieht, desto gefestigter ist ihr Selbstbewusstsein und desto weniger anfällig für Vergleiche mit anderen sind sie. Noten sind also nicht per se als schlecht oder veraltet abzutun. Als Quintessenz aus allen genannten Punkten lässt sich ableiten, dass sie aber so spät wie möglich eingeführt werden sollten . Wenn das nicht anders möglich ist und Noten Pflicht sind, sollten Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schüler zusätzlich andersartige Rückmeldungen in Coaching-Gesprächen oder Portfolios geben und die Zeugnisnoten in einem Gespräch erläutern .

Bildungsebene:

Primarstufe

Frei zugänglich:

nein

Kostenpflichtig:

ja

Lernressourcentyp:

Arbeitsmaterial

Lizenz:

Frei nutzbares Material

Sprache:

Deutsch

Themenbereich:

Schule fachunabhängige Bildungsthemen sonstige fachunabhängige Bildungsthemen
Berufliche Bildung Berufliche Bildung allgemein Berufswahl, Berufsvorbereitung, Berufsberatung

Geeignet für:

Lehrer