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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 23.02.2023:

„Die Personalnot ist das größte Problem.“

Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Das Deutsche Schulbarometer

Drei zentrale Herausforderungen sind momentan an den Schulen in Deutschland zu bewältigen: Der Fachkräftemangel, die durch die Corona-Pandemie bedingten Lernrückstände und die Aufnahmekapazitäten. Das zeigt das am 18. Januar 2023 veröffentlichte Deutsche Schulbarometer. Im Auftrag der Robert Bosch Stiftung wurden dafür Schulleiter*innen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen befragt.


Die Robert Bosch Stiftung lässt seit 2019 regelmäßig repräsentative Befragungen zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland durchführen. Diese werden unter dem Titel „Deutsches Schulbarometer“ veröffentlicht. Durch Beobachtungen und Einschätzungen von an Schule Beteiligten, wie den Schulleitungen, den Lehrkräften, den Eltern, den Schüler*innen oder dem weiteren pädagogischen Personal, sollen Entwicklungen und Herausforderungen der Schulen frühzeitig erkannt und mögliche Empfehlungen für Entscheider*innen im Bildungssystem abgeleitet werden können. Das Deutsche Schulbarometer ist als repräsentative Umfrage angelegt, kann jedoch wissenschaftlichen Standards nicht in allen Punkten genügen. Es bietet aber einen interessanten Einblick in die aktuelle Lage an Deutschlands Schulen.

Die bisherigen Befragungen
Das erste Deutsche Schulbarometer wurde im Juli 2019 als Elternbefragung in Kooperation mit der ZEIT und unterstützt durch ein Meinungsforschungsinstitut durchgeführt. Eltern von Kindern an Grund- und weiterführenden Schulen wurden bundesweit gefragt, wie zufrieden sie mit der Schule ihres Kindes sind. Die Umfrage zeigte auch auf, wie viele Stunden Eltern damit verbringen, ihr Kind beim Lernen zu Hause zu unterstützen und welche Einstellungen sie gegenüber der Ganztagsschule haben. Seit 2020 führt das Meinungsforschungsinstitut forsa die Erhebungen durch. Während der Corona-Pandemie folgten unter dem Titel-Zusatz „Spezial“ drei Befragungen repräsentativer Stichproben von Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen. Im Fokus standen die kurz- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf Unterricht und Schule, die Bewältigung der neuen Herausforderungen, die Organisation des Fernunterrichts sowie die Lernrückstände und psychosozialen Probleme bei Kindern und Jugendlichen in Folge der Pandemie. Bei einer weiteren Befragung im April 2022 ging es um das berufliche Belastungserleben der Lehrkräfte, die Folgen der Pandemie sowie das Vorgehen der Schulen bei der Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine.

Schulen leiden unter Fachkräftemangel

Für die aktuelle Ausgabe, die im Januar 2023 erschien, wurden erstmals ausschließlich Schulleitungen dazu befragt, was den Schulen in Deutschland derzeit die größten Probleme bereitet. Die repräsentative Stichprobe umfasste insgesamt 1.055 Schuleiter*innen und wurde zwischen dem 31. Oktober und dem 16. November 2022 als Online-Befragung durchgeführt. Für zwei Drittel der Schulleiter*innen stellt das fehlende pädagogische Personal die größte Herausforderung dar. An sozial benachteiligten Standorten sagen dies sogar 80 Prozent. Erst mit großem Abstand folgen die langsam vorankommende Digitalisierung (22 Prozent), zu viel Bürokratie (21 Prozent) und die hohe eigene Arbeitsbelastung (20 Prozent). „Für den Lehrkräftemangel gibt es keine schnelle und vor allem keine einfache Lösung“, urteilt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung. „Weniger bürokratischer Aufwand könnte die aktuelle Personalnot an den Schulen aber zumindest lindern, indem beispielsweise die Anstellung von Unterstützungsfachkräften in der Verwaltung, von pädagogischen Assistenzkräften oder ausländischen Lehrkräften erleichtert wird. Gleichzeitig muss jetzt langfristig geplant werden. Eine Erhöhung der Kapazitäten in den Lehramtsstudiengängen reicht dazu nicht aus. Der Lehrerberuf muss attraktiver werden.“

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen einhergehenden Maßnahmen spielten in der jüngsten Befragung nur noch eine untergeordnete Rolle, sie beschäftigten gerade noch jede zehnte Schule. Im Deutschen Schulbarometer vom April 2022 war die Corona-Pandemie noch als drängendste Aufgabe wahrgenommen worden.

Deutliche Lernrückstände trotz Corona-Aufholprogrammen
Die Wirksamkeit der Corona-Aufholprogramme und die verfügbaren Kapazitäten für die Beschulung Zugewanderter waren weitere Themen der Befragung von Schulleiter*innen. Die Schulleitungen sehen bei 35 Prozent der Schüler*innen nach wie vor einen deutlichen Lernrückstand, die Lehrkräfte stuften diesen im April 2022 bei 41 Prozent ein. An Schulen in sozial benachteiligter Lage betrifft dieser sogar zwei Drittel der Kinder. Nur ein Drittel der Schulleiter*innen hält die Corona-Aufholprogramme für wirkungsvoll. Fast 80 Prozent der Schulleitungen können nicht allen Kindern und Jugendlichen die benötigte Unterstützung beim Lernen bieten. 70 Prozent der befragten Schulleitungen sieht demzufolge dringend weiteren Förderbedarf. „Das Ziel, insbesondere sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu unterstützen, wurde weit verfehlt, weil alle Schulen über einen begrenzten Zeitraum Fördermittel nach dem sogenannten Gießkannenprinzip erhalten haben. Dabei wären die Bedingungen für eine bedarfsgerechte Verteilung günstig“, meint Dr. Dagmar Wolf.

Kapazitäten für die Beschulung Zugewanderter fehlen

Seit März 2022 hat das deutsche Schulsystem außerdem eine sehr hohe Zahl an geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine aufgenommen. Den Anteil an der Gesamtzahl der Schüler*innen schätzen die Schulleitungen auf 2,7 Prozent, das wären sieben Schüler*innen pro Schule. Fast genauso viele Schüler*innen sind schätzungsweise im selben Zeitraum noch einmal aus anderen Ländern an die Schulen gekommen. Rund die Hälfte der Schulen sieht derzeit keine Kapazitäten mehr für die Aufnahme weiterer Schüler*innen. Vor allem Schulen an sozial benachteiligten Standorten arbeiten bereits über ihrer Kapazitätsgrenze. Sie haben überdurchschnittlich häufig neu zugewanderte Schüler*innen aufgenommen. Für die Kinder und Jugendlichen, die aus dem Ausland an eine Schule in Deutschland wechseln, wäre eine Förderung der Deutschkenntnisse besonders wichtig. Doch laut Befragung der Schulleiter*innen kann diese an mehr als der Hälfte der Schulen nicht gewährleistet werden. Dramatisch ist die Lage insbesondere an den Grundschulen, an 71 Prozent kann schon jetzt wegen mangelnder Kapazitäten keine ausreichende Sprachförderung sichergestellt werden.

Trotz hoher Belastungen Zufriedenheit bei Lehrkräften
Die Corona-Pandemie und der Lehrkräftemangel üben großen Druck auf die Lehrkräfte aus. Die Ergebnisse der Lehrkräfte-Befragung im April 2022 zeigen, dass eine überwältigende Mehrheit der Lehrkräfte das Kollegium (92 Prozent) und sich selbst (84 Prozent) als derzeit stark oder sehr stark belastet erlebt. Grundschullehrkräfte geben bei beiden Belastungserleben einen überdurchschnittlichen Wert an. Trotz der vielen Herausforderungen und hohen Belastungen sind rund drei Viertel der Lehrkräfte aber mit ihrem Beruf zufrieden. Sie sehen die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als bereichernd und sinnvoll an.




Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 23.02.2023
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