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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 18.07.2013:

„Lehrer mit Migrationshintergrund gesucht“

Verschiedene Initiativen werben dafür, dass mehr Migranten den Lehrerberuf ergreifen

Aufgrund der steigenden Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit ausländischen Wurzeln werden in Deutschland mehr Lehrer mit Migrationshintergrund gesucht. Sprachkenntnisse, das Wissen um andere Kulturen und ein Verständnis für mögliche Konflikte und Herausforderungen sollen den Unterricht bereichern und den jungen Menschen zu einem guten Start verhelfen. Es wird davon ausgegangen, dass Schüler mit Migrationshintergrund sich mit Lehrern, die auch eine andere ethnische Herkunft haben, mehrsprachig aufgewachsen sind oder gegebenenfalls Hürden im Bildungssystem nehmen mussten, besser identifizieren können. Sie können den jungen Menschen als Vorbild dienen und ihnen Mut machen. Bundesweit sind nur ein bis zwei Prozent aller Lehrer Einwanderer oder Kinder von Einwanderern. Gerade Bildungsaufsteiger mit Migrationshintergrund, die Karriere machen wollen, entscheiden sich eher für die Berufe Anwalt, Arzt oder Ingenieur, als für den Lehrerberuf. Ganz offiziell wirbt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) deshalb dafür, dass mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund den Beruf des Lehrers ergreifen. Und auch andere Initiativen setzen sich dafür ein.

Schülercampus „Mehr Migranten werden Lehrer"

Die „Zeit"-Stiftung zum Beispiel verfolgt mit der Initiative „Mehr Migranten werden Lehrer" das Ziel, junge Migrantinnen und Migranten für das Lehramtsstudium und den Lehrerberuf zu interessieren. Bei dem gleichnamigen Schülercampus, der seit 2008 in Kooperation mit dem Zentrum für Lehrerbildung und dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung stattfindet, kommen Schülerinnen und Schüler vier Tage zusammen, um sich über den Lehrerberuf zu informieren. Der Campus gibt Einblicke in das Lehramtsstudium sowie in die Chancen und Herausforderungen des Lehrerberufs. An den vier Tagen erfahren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche Voraussetzungen man für das Studium mitbringen sollte. Lehrkräfte mit Migrationshintergrund berichten über ihre eigene Bildungsbiographie und geben ihre Erfahrungen weiter. Dabei werden auch Fragen aus dem Alltag eines Lehrers mit Migrationshintergrund beantwortet, etwa ob man mit Kopftuch unterrichten darf oder ob man auch ohne deutschen Pass verbeamtet werden kann. Darüber hinaus können die Schülerinnen und Schüler an Schulen hospitieren und an der Universität Hamburg mit Hochschullehrkräften diskutieren.

Netzwerke für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund
Auch gibt es in Deutschland mehrere Netzwerke, die dabei helfen, mehr Migranten für den Lehrerberuf zu gewinnen. Das Hamburger Netzwerk „Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte“ beispielsweise ist ein Zusammenschluss von ehrenamtlich tätigen Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Referendarinnen und Referendaren und Lehramtsstudentinnen und -studenten. Es verfügt über Kontakte zu ca. 190 in  Bildungseinrichtungen tätigen Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Gemeinsam setzen sie sich für die gesellschaftliche Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte und ihren Bildungserfolg ein. Das „Berliner Netzwerk für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund", das von den Berliner Universitäten und dem Senat gefördert wird, spricht gezielt Schüler in der Oberstufe an, motiviert sie dazu, Lehrer zu werden, und begleitet sie im Studium. Vorbild für Berlin und Hamburg ist das Netzwerk „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte" in Nordrhein-Westfalen. Es wurde 2006 vom Ministerium für Schule und Weiterbildung in Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Integrationsministerium gegründet und wirbt seitdem bei Jugendlichen und Studenten für den Lehrerberuf, indem es an Schulen gezielt auf die Schüler zugeht und ihnen anbietet, sie in der Zeit zwischen dem Abitur und dem Studienbeginn zu begleiten.

Erste empirische Untersuchung
Bisher ist kaum erforscht, inwieweit Lehrer mit Migrationshintergrund tatsächlich die Chancen von ausländischen Schülern erhöhen. Eine im Jahr 2011 erschienene wissenschaftliche Untersuchung hat die Bedeutung von Lehrern mit ausländischen Wurzeln erstmals unterstrichen. Für die erste empirische Untersuchung in Deutschland zu dem Thema „Lehrende mit Migrationshintergrund in Deutschland: Eine empirische Untersuchung zu Bildungsbiographien, professionellem Selbstverständnis und schulischer Integration“, ein Forschungsprojekt der Freien Universität Berlin (FU), das gemeinsam von der Hertie-Stiftung und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gefördert wurde, wurden 200 Lehrer mit ausländischen Wurzeln umfassend befragt. Die Erziehungswissenschaftlerin und Leiterin des Projekts, Prof. Dr. Viola Georgi von der Freien Universität Berlin, hob am 24. September 2010 auf der Konferenz „Vom multikulturellen Klassenzimmer zum multikulturellen Lehrerzimmer – Potentiale und Grenzen internationaler Schulentwicklung“ der Heinrich-Böll-Stiftung hervor: „Die Ergebnisse zeigen, dass Lehrende mit Migrationshintergrund ein Schlüssel zur interkulturellen Schulentwicklung in Deutschland sind, aber nicht zum Allheilmittel gesellschaftlicher Integration taugen. Neben der gezielten Werbung und Rekrutierung von Lehrenden mit Zuwanderungsbiographie bedarf es flankierender Maßnahmen, etwa in der Lehreraus- und Weiterbildung, die Schule und ihre Akteure angemessen auf den Umgang mit Heterogenität vorzubereiten." Die Wissenschaftlerin warnt davor, sich darauf zu verlassen, dass Lehrer allein aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen zu einer besseren Integration beitragen. Vielmehr seien Fortbildungen, eine „methodisch-didaktische Reflexion" und das Einbinden der Arbeit in das Curriculum nötig. Interkulturelle Pädagogik sei eine Aufgabe für alle Lehrkräfte und für alle Schüler.

Das Projekt „LernKUHLT“
Ein Beispiel, wo dies praktiziert wird, ist das Projekt „LernKUHLT“ der Stiftung Universität Hildesheim. Es leistet seit 2006 einen Beitrag zur Verbesserung der schulischen Situation der Kinder und Jugendlichen unterschiedlicher Herkunftssprachen in der Region Hildesheim und trägt gleichzeitig zur Qualifizierung der Studierenden aus lehrerbildenden Studiengängen in den Bereichen „individuelle Lernförderung“ und „Unterricht in sprachlich und ethnisch-kulturell heterogenen Klassen“ bei. Lehramtsstudenten mit und ohne Migrationshintergrund fördern Gruppen, die sich aus Kindern nicht-deutscher Herkunftssprache und Muttersprachlern zusammensetzen, zweimal wöchentlich in Deutsch. Dabei lernen sie, mit den kulturellen Unterschieden aus den Heimatländern der Kinder umzugehen und das integrative und interkulturelle Lernen zu fördern. Die Studierenden der lehrerbildenden Studiengänge der Stiftung Universität Hildesheim werden auf ihre Tätigkeit in Workshops und in Seminaren vorbereitet. Sie erarbeiten für jedes Kind einen individuellen Förderplan, der aus theoretischen und praktischen Übungen besteht und schon im zweiten Semester dürfen die Studierenden zum ersten Mal eine Klasse alleine unterrichten.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 18.07.2013
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