Die Schule der Zukunft: agile und zukunftsorientierte Unterrichtsgestaltung - Unterrichtsmaterial online bei Elixier
Zurzeit ist in vielen bildungspolitischen Debatten die Rede von der Schule der Zukunft. In diesem Interview klärt Berufsschullehrer und Lehrkräftefortbilder Dr. Jens Soemers darüber auf, wie zukunftsorientierter Unterricht aussehen kann. Besonders wichtig ist dabei eine Neuausrichtung der Lehr-Lern-Methoden sowie eine vertrauensvolle Lehrenden-Lernenden-Beziehung.
Anbieter:
Lehrer-Online | Eduversum GmbH, Taunusstr. 52, 65183 Wiesbaden
Autor:
Dr. Jens Soemers
Lange Beschreibung:
Was versteht man unter dem Begriff "Schule der Zukunft"? Wir alle wissen, dass der schnelle gesellschaftliche und kulturelle Wandel unsere Lebens- und Arbeitswirklichkeiten rasant verändert. Damit wir deshalb auch in Zukunft handlungs- und wettbewerbsfähig bleiben, ist es wichtig, die schulischen Lehr- und Lernprozesse an diese Veränderungen anzupassen. Besonders bedeutend ist dabei die Digitalisierung. Schulen und Lehrkräfte stehen also zunehmend vor der Frage, in welchen aktuellen und zukünftigen zentralen Bereichen sich das Lernen in der digitalen Welt verändert und wie schulische Lehr- und Lernprozesse zukünftig gestaltet sein müssen. In welchen Bereichen muss sich Schule für das Lernen in der digitalen Welt verändern? Zunächst müssen die Schulen ein modernes Zukunftsbild des digitalen Lernens entwickeln, umsetzen und daran ständig weiterarbeiten. Dann müssen die Schülerinnen und Schüler mit ihren Persönlichkeiten und Einstellungen selbst auf die veränderten digitalen Lebens- und Arbeitswelten vorbereitet werden. Ein weiterer Bereich betrifft den Unterricht und die schulischen Lehr- und Lernprozesse. Diese müssen modern, digital und zukunftsgerichtet gestaltet werden und natürlich müssen auch die Lehrkräfte auf die veränderten Rollen vorbereitet und kontinuierlich professionalisiert werden. Was wird aktuell unternommen, um solche Zukunftsbilder für das Lernen in der digitalen Welt zu entwickeln? Ich beobachte aktuell, dass in den Schulen zahlreiche Innovationsteams gebildet werden, die an Leitbildern für die moderne Schule der Zukunft arbeiten. Dann wurden den Schulen im Rahmen der Fortbildungsoffensive Budgets zur Verfügung gestellt, die Schulleitungen, Moderatorinnen und Moderatoren der Lehrkräftefortbildung sowie Lehrkräfte dabei unterstützen sollen, das Lehren und Lernen in der digitalen Welt weiterzuentwickeln. Ganz besonders wichtig ist hier, dass bei den Lehrkräften Motivation zur Einleitung des Umbruch, also eine Aufbruchsstimmung zur Neuausrichtung von Lehren und Lernen erzeugt wird. Welche Unterrichtsmethoden unterstützen eine Neuausrichtung der Lehr- und Lernprozesse? Hier ist gerade der Ansatz des agilen Lernens sehr stark im Fokus der aktuellen Debatten. Methodisch kommen hierbei zum Beispiel die Methoden Scrum, Kanban und Design Thinking zum Einsatz. Der Lernprozess besteht beim agilen Lernen aus kurzen, immer wiederkehrenden Etappen, sogenannten Sprints. Die Erkenntnisse, die in diesen einzelnen Sprints gewonnen werden, werden in den darauffolgenden Etappen immer wieder berücksichtigt. So bekommt der Lernprozess viele Zwischenstopps und auch viele Zwischenziele . Die Idee dabei ist, dass die Schülerinnen und Schüler immer neue Lösungswege einschlagen und Veränderungen berücksichtigen. Lernen vollzieht sich dabei also durch Ausprobieren, Revidieren und Einschlagen neuer Lösungswege. Die Lerninhalte sind dabei zwar flexibel, der Ablauf des Lernprozesses ist durch die Kleinschrittigkeit aber sehr stark strukturiert. Was bedeutet das für die Schule der Zukunft? Agiles Lernen verlangt nach meiner Ansicht ein Umdenken von Lehren und Lernen und bedarf einer Abkehr von starren Regelwerken, vielen Hierarchie-Ebenen, umfassenden Dokumentationen, strengen Zuständigkeiten und akribischen Planerfüllungen. Der Blick sollte vielmehr verstärkt auf Individuen und Interaktionen, Gemeinsamkeiten und Miteinander, Begegnungen auf Augenhöhe, Gestaltung von Veränderungsprozessen, Erhöhung der Selbsttätigkeit der Lernenden und Zusammenarbeit aller am Schulleben Beteiligter innerhalb von schlanken Hierarchie-Ebenen gerichtet werden. Wie muss demnach eine zeitgemäße Prüfungskultur aussehen? Lehrkräfte und Lernende fokussieren sich zum Teil noch zu stark auf Tests, Klassenarbeiten und Prüfungen. Letztlich ist dabei das Problem, dass der Lernprozess mit solchen Leistungskontrollen zu statisch ist und mit Ablegen der Prüfung als beendet abgehakt wird. Lernen bedeutet aber eigentlich, sich weiterzuentwickeln und ist ein dynamischer Prozess. Eine zeitgemäße Prüfungskultur müsste also stärker die Entwicklung des Lernenden einbeziehen . Dies geschieht aber oft leider nur nebenbei, zum Beispiel in Gesprächen am Schuljahresende, wenn eine Rückmeldung zu den Leistungen gegeben und die Zeugnisnoten besprochen werden. Welche Möglichkeiten der alternativen Leistungsbewertung gibt es? Zunächst kann man bei der Leitungsbewertung Portfolios, Ergebnisse von kollaborativ und digital erbrachten Leistungen oder beispielsweise selbst geschriebene Erfahrungsberichte prüfen. Ich habe aber auch gute Erfahrungen mit Selbstbeurteilungen von Leistungen im Dialog mit den Lernenden gemacht. Diese Gespräche kopple ich aber nicht an die Zeit der Prüfungen oder Zeugnisse, sondern führe innerhalb kurzer Abstände auch im Tagesgeschäft verteilt Einzelgespräche. Dies hat den Vorteil, dass ich in diesen Gesprächen nicht nur die Arbeitsergebnisse thematisiere, sondern vor allem auch den Prozess, der dahintersteckt. In diesem Zusammenhang bespreche ich auch die Defizite, um diese für die Verbesserung in Zukunft zu nutzen. Ich habe den Fokus im Laufe der Jahre irgendwie verstärkt weg vom Feedback und mehr hin zum Feedforward gelenkt. Denn das beeinflusst den Lehr- und Lernerfolg maßgeblich. Wovon hängt der Erfolg des Lehrens und Lernens in einer Schule der Zukunft ab? Kontrolle, Leitungsbewertungen, viele Regeln und Vorschriften passen nicht zum gemeinsamen agilen Lernen in einer modernen Schule. Der Erfolg der Schule der Zukunft hängt für mich maßgebend vom Vertrauen innerhalb der Lehrenden-Lernenden-Beziehungen ab. Durch welche Merkmale zeichnen sich vertrauensvolle Lehrenden-Lernenden-Beziehungen aus? Aktuellen Studien zufolge ist die Lehr- und Lernatmosphäre ganz besonders wichtig. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler gemeinsam miteinander lachen und auch ernsthaft miteinander arbeiten. Dann ist das Ausmaß der Unterstützung der Lehrkraft beim Lernen wichtig. Das bedeutet, dass die Lehrerin oder der Lehrer allen einzelnen Lernenden gerne bei Lernproblemen hilft und bei allen Lernenden einen Lernzuwachs anstrebt. Alle am Unterricht Beteiligten sollten ihre ehrliche Meinung äußern und ihre Gefühle offen zeigen dürfen. Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler sollten sich Fehler eingestehen und die Eigenheiten der Anderen akzeptieren. Zudem sollten Lehrende und Lernende aufgeschlossen aufeinander zugehen und auf gegenseitige Anregungen eingehen. Und schließlich zeichnet eine respektvolle Lehrenden-Lernenden-Beziehung aus, dass viele persönliche Gespräche miteinander geführt werden und auch nonverbal miteinander kommuniziert wird. Die Merkmale des Vertrauens sind also maßgebende Faktoren für die geforderte zeitgemäße und moderne Gestaltung von Unterricht und schulischen Lehr- und Lernprozessen in der Schule der Zukunft.
Bildungsebene:
Berufliche Bildung Sekundarstufe I Sekundarstufe II
Frei zugänglich:
nein
Kostenpflichtig:
ja
Lernressourcentyp:
Arbeitsmaterial
Lizenz:
Frei nutzbares Material
Sprache:
Deutsch
Themenbereich:
Schule fachunabhängige Bildungsthemen sonstige fachunabhängige Bildungsthemen
Berufliche Bildung Berufliche Bildung allgemein Berufswahl, Berufsvorbereitung, Berufsberatung
Geeignet für:
Lehrer