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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 12.08.2021:

„Von dem Mentoring profitieren beide Seiten.“

Individuelle Patenschaften junger Erwachsener für ein Kind
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Mentoringprogramm „Balu und Du“

Das bundesweite Mentoringprogramm „Balu und Du“ fördert Grundschulkinder im außerschulischen Bereich. Engagierte Studierende, Balus genannt, übernehmen ehrenamtlich für mindestens ein Jahr eine individuelle Patenschaft für ein Kind (Mogli). Durch die Aufmerksamkeit, die sie ihm schenken, und viele gemeinsame Unternehmungen lernt das Kind viel Neues kennen und bekommt Selbstvertrauen. Die Teilnahme am Programm ist für die Kinder kostenlos. Die positiven Effekte werden durch die Wirksamkeitsforschung bestätigt.


Bildungserfolg hängt in Deutschland stark von der sozialen Herkunft und dem Bildungsstatus der Eltern ab. Viele Kinder können ihre Fähigkeiten deshalb nicht richtig entfalten, ihre Talente bleiben oft unentdeckt. Das Mentoringprogramm „Balu und Du“ will gegen diese Chancenungleichheit vorgehen, die Entwicklung der Kinder in Gesellschaft und Schule fördern und ihre Begabungen zum Vorschein bringen.

Das Mentoringprogramm „Balu und Du“
Das Programm richtet sich an Kinder im Grundschulalter (6 bis 10 Jahre), die in sozial oder wirtschaftlich herausfordernden Lebensumständen aufwachsen und zur Unterstützung ihrer sozialen und sprachlichen Integration, zum Ausgleich von Problemen aufgrund von Migration oder schwierigen Lebenssituationen, zur Entfaltung ihrer Interessen und Stärken oder zur Förderung ihres Selbstbewusstseins zusätzliche Aufmerksamkeit und Zuwendung durch eine weitere nahestehende Person gut gebrauchen können. Sie werden über ihre Lehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen für das Programm vorgeschlagen und angemeldet. Ihnen - den so genannten Moglis - wird dann ein Pate bzw. eine Patin - Balu - zur Seite gestellt. Die Namen sind nicht zufällig gewählt, sondern spielen auf die Geschichte „Das Dschungelbuch“ an, in der der Junge Mogli im Dschungel aufwächst und von seinem Freund Balu, einem großen starken Bären, beschützt wird.

Einmal in der Woche
Das Programm „Balu und Du“ bringt in vielen deutschen Städten junge Leute mit Kindern zusammen. Mädchen bekommen in der Regel einen weiblichen Balu, Jungen einen männlichen. Gemeinsam entdecken sie ihre Umgebung. Balus sind junge, zuverlässige Leute im Alter zwischen 17 und 30 Jahren, meist Studierende, die sich engagieren möchten und Kinder ehrenamtlich außerschulisch fördern wollen, zum Beispiel weil sie in ihrem späteren Beruf mit Kindern arbeiten werden. Sie treffen sich für die Dauer eines Jahres an einem festen Nachmittag in der Woche für ein bis drei Stunden mit „ihrem Mogli“ und unternehmen gemeinsam etwas. Sie backen oder kochen, basteln, malen, spielen, reden, machen Spaziergänge durch die Natur oder die Stadt, besuchen Spielplätze und Parks, gehen schwimmen, in die Bücherei, fahren mit dem Bus, gehen ins Kino oder essen ein Eis und haben viel Spaß dabei. Die Interessen, Wünsche und aktuellen Probleme des Kindes stehen dabei im Mittelpunkt.

Informelles Lernen
Grundschulkinder wollen die Welt verstehen und haben viele Fragen. Ein großer Freund, eine große Freundin, auf den bzw. die sie sich verlassen und den/die sie alles fragen können, kann sie dabei unterstützen. Davon profitieren beide: Die Moglis probieren Neues aus, lernen, sich etwas zuzutrauen und machen dabei die Erfahrung, dass ihnen eine zuverlässige Bezugsperson zuhört und sie begleitet. Ganz nebenbei eignen sie sich einen großen Wissensschatz an, der für ihre Entwicklung und ihr späteres Leben bedeutend ist. Doch auch die Balus wachsen an der Beziehung. Sie erweitern und stärken ihre Selbst- und Sozialkompetenzen, wie Verantwortungsbewusstsein, Empathie, die Fähigkeit zu kreativer Problemlösung, Überzeugungskraft, Durchhaltevermögen oder interkulturelle Kompetenz. Zur Unterstützung ihrer Aktivitäten erhalten sie im Monat 10 Euro Taschengeld für Eintrittsgelder oder Bastelmaterialien.

Balus werden selbst begleitet
Die Studierenden, die sich als Mentor*innen bewerben, durchlaufen ein Auswahlverfahren und müssen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis abgeben. Außerdem werden sie selbst von qualifizierten Fachkräften angeleitet, um die Qualität des Programms zu sichern. Die Balus kommen in der Regel von Bildungseinrichtungen (Universitäten, Hochschulen, Berufsschulen, Oberstufen von Gymnasien) oder von Verbänden und Vereinen und werden als Gruppe von einem Koordinator oder einer Koordinatorin engmaschig begleitet. Die Erfahrungen, die sie mit „ihrem Mogli“ machen, müssen sie nach jedem Treffen in einem geschützten Online-Tagebuch dokumentieren. Anschließend erhalten sie von ihrem Koordinator, ihrer Koordinatorin eine direkte Rückmeldung. In den je nach Standort wöchentlichen bzw. vierzehntäglichen Begleitseminaren reflektieren sie mit anderen Mentor*innen ihre Erfahrungen, besprechen auch Probleme, suchen gemeinsam nach Lösungen, teilen schöne Erlebnisse sowie Entwicklungsfortschritte. Studierende können an vielen universitären Standorten auch einen Leistungsnachweis über ihr ehrenamtliches Engagement erhalten, zum Teil kann es auch als Praktikum gewertet werden.

Netzwerk und Verein
Das Mentoringprogramm „Balu und Du“ wurde 2002 an der Universität Osnabrück von Prof. em. Dr. Hildegard Müller-Kohlenberg entwickelt und wird umfangreich intern und extern wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Mittlerweile wird das Programm bundesweit an über 120 selbstständigen, lokalen Standorten wie Wohlfahrtsverbänden, Freiwilligenagenturen, ehrenamtlichen Verbänden und Bildungseinrichtungen durchgeführt, an denen insgesamt schon über 12.000 Kinder erfolgreich betreut wurden. Alle Standorte zusammen bilden ein Netzwerk. Sie können sich untereinander austauschen, voneinander lernen und neue Ideen entwickeln. Die Standort-Verantwortlichen treffen sich jährlich bei der Koordinatoren-Konferenz und darüber hinaus bei Regionalkonferenzen.

Am 6. September 2005 wurde der Verein „Balu und Du“ mit Geschäftsstelle in Köln gegründet. Er vernetzt die verschiedenen Standorte des Programms und dient als Basis für den Erfahrungsaustausch, inhaltliche Absprachen und die Fortentwicklung des Programms. Sein besonderes Augenmerk liegt auf der Gewinnung und Unterstützung von Mentor*innen und neuer Standorte sowie der wissenschaftlichen Forschung. Dafür wirbt er Spenden und Projektmittel ein. Seit 2014 gehört die Eleven gGmbH zu den Hauptförderern des „Balu und Du“ e.V., seit dem Jahr 2020 auch der Unternehmer Dr. Daniel Arnold. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert den Verein seit dem Jahr 2020 im Rahmen des Bundesprogramms „Menschen stärken Menschen“. Ein großer Anteil der Spenden kommt auch von der Postcode Lotterie. Der Verein arbeitet mit vielen Partnern zusammen, darunter sind die Eleven gGmbH, die „Aktion zusammen wachsen“ und der Bundesverband Innovative Bildungsprogramme - BIB. Auch ist das Programm in den vergangenen Jahren vielfach ausgezeichnet worden, u.a. 2020 mit dem Engagementpreis von Nordrhein-Westfalen und 2016 mit dem Gesundheitspreis der AOK Nordost.

Positive Effekte - Wirkung auf Moglis und Balus
Das Mentoringprogramm „Balu und Du“ wurde von Anfang an hinsichtlich seiner Wirkung evaluiert. Inzwischen liegen zahlreiche Publikationen der Begleitforschung vor. Die Wirkungsberichte sind am „Social Reporting Standard“ (SRS) orientiert. Sie zeigen jeweils an einem Oberthema die Methodik, Lösungsorientierung und Entwicklung des Programms auf. Erfahrungsberichte aus den Standorten ermöglichen zusätzlich einen individuellen Blick auf den Alltag mit „Balu und Du.“ In persönlichen Geschichten berichten die Mentor*innen von ihrem Projektjahr mit „ihrem Mogli.“ Daneben enthalten die Berichte Informationen über die Organisationsstruktur, die Partner und Unterstützer, die Finanzen sowie die weiteren Pläne der Programmleitung.

Die Teilnahme am Mentoringprogramm „Balu und Du“ hat nachweislich positive Wirkungen sowohl auf die Moglis als auch auf die Balus. Den Kindern kann es helfen, ihre Interessen und Stärken zu entfalten, ihren Horizont zu erweitern, ihr Selbstbewusstsein zu stärken sowie ihre soziale und sprachliche Integration zu fördern. Evaluationen zeigen nach einem Jahr Teilnahme eindeutig positive Wirkungen u.a. in den Bereichen Lebenszufriedenheit, Prosozialität, Konzentration, Integration, Schulerfolg. Die Mentor*innen profitieren vom sozialen und selbstorganisatorischen Kompetenzgewinn und erwerben Schlüsselqualifikationen, die in vielen Studiengängen gefordert sind: Selbstdisziplin und eine verbesserte Arbeitshaltung. Seit 2011 wird eine Längsschnittuntersuchung zur Fragestellung der kognitiven und non-kognitiven Fähigkeiten der Moglis - insbesondere der Prosozialität - an der Universität Bonn unter der Leitung von Prof. Dr. Armin Falk durchgeführt.

Das Programm „Balu und Du“ leistet einen wichtigen Beitrag für eine kinderfreundliche Gesellschaft und stärkt das Vertrauen und Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und familiärer Situation. Die nächste Runde startet im Frühjahr 2022. Bewerben können sich Studierende und Kinder bzw. ihre Eltern oder Lehrkräfte Anfang 2022.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 12.08.2021
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