Suche

Gebärdensprache DGS-Button Leichte Sprache LS-Button
Erweiterte Suche

Ariadne Pfad:

Inhalt

Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 26.01.2023:

Kinder an Entscheidungen beteiligen

Partizipation in der Kita
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Haus Neuland e.V.

In fast allen Kita-Bildungsplänen in Deutschland ist vorgesehen, dass Kinder an Entscheidungen, die sie selbst und den eigenen Tagesablauf betreffen, beteiligt werden. Die Umsetzung von Partizipation bleibt den Kitas überlassen. Das Modellprojekt „Die Kita als Lernort für Demokratie - Partizipation und Selbstbestimmung von Anfang an“ vom Bielefelder Verein Haus Neuland unterstützt Kitas dabei, partizipative Strukturen einzuüben.


In einer Demokratie können alle ihre Meinung äußern und mitbestimmen. Auch Kinder dürfen das und zwar bei allem, was für ihr Leben wichtig ist. In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist festgehalten, dass Kinder das Recht haben, an allen Entscheidungen, die ihr eigenes Leben betreffen, beteiligt zu werden. Die Kita eignet sich besonders gut als Ort für die Demokratiebildung, da kleine Kinder dort mit anderen Menschen außerhalb der eigenen Familie den Alltag erleben. Doch was heißt das jetzt für den Alltag und das tägliche Zusammenleben in der Kindertageseinrichtung? Was dürfen Kita-Kinder bestimmen? Den Essensplan, die Länge des Mittagsschlafs, welches Buch gelesen wird, und ob sie ohne Mütze draußen spielen dürfen? Das Thema „Partizipation in der Kita“ löst bei Eltern und Fachkräften unterschiedliche Reaktionen aus: Auf der einen Seite wünschen sich Eltern mündige Kinder, die sich in der demokratischen Gesellschaft zurechtfinden und einbringen können. Auf der anderen Seite haben Erwachsene die Fürsorgepflicht und wollen die Kinder vor Überforderung schützen. Kritiker*innen befürchten durch zu viel kindliche Mitbestimmung den Zuwachs „tyrannischer“ Kinder und den eigenen Autoritätsverlust.

Demokratische Teilhabe und Partizipation
Bei demokratischer Teilhabe und Partizipation geht es aber nicht darum, die Bedürfnisse Einzelner zu stillen, sondern das Gefühl für die Gemeinschaft zu stärken. Wer in einem demokratischen Prozess Ideen einbringt, die am Ende nicht umgesetzt werden, muss lernen, mit den Kompromissen umzugehen. Kinder, die aufgefordert werden, eigenständig Entscheidungen zu treffen und dabei von Erwachsenen begleitet werden, lernen, Verantwortung für sich und andere zu tragen. In der Kita verbringen viele Kinder einen großen Teil ihres Alltags. Um ihre Rechte, Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen in der Kindertageseinrichtung mit einzubringen und die Kita als demokratischen Ort zu erfahren, benötigen sie aber zunächst alle Informationen, die sie zur Entscheidungsfindung brauchen. Und jemanden, der sie nach ihren Meinungen und Ideen fragt und ihnen zuhört. Pädagogische Fachkräfte sind wichtige Begleiter*innen in diesen für Kinder emotionalen Situationen. Das Aushalten von Entscheidungen und Kompromissen, die nicht den eigenen Willen treffen, muss erst erlernt werden. Ebenso wichtig ist die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, wenn die eigenen Ideen angehört und umgesetzt werden. Kinder erlernen, dass sie mit herausfordernden und komplexen Situationen umgehen und diese bewältigen können. Jedoch sind Fachkräfte dadurch vor große Herausforderungen gestellt. Sie sollen jedes Kind optimal fördern, ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und die Kinder im Kita-Alltag beteiligen. Viele Kitas wünschen sich professionelle Unterstützung auf dem Weg hin zu einer partizipativen Kita.

„Die Kita als Lernort für Demokratie - Partizipation und Selbstbestimmung von Anfang an“
Das Projekt „Die Kita als Lernort für Demokratie - Partizipation und Selbstbestimmung von Anfang an“ sucht Antworten auf die Fragen „Wie gehen wir mit den gesetzlichen Regelungen zur Partizipation von Kindern um?“ und „Wie können Kitas ihre Arbeit angemessen partizipativ gestalten?“. Das Modellprojekt wird im Rahmen des Förderprogramms „Demokratie leben!“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bis 2024 gefördert.
Das Bundesförderprogramm „Demokratie leben!“ existiert seit dem Jahr 2015 und ist mit Beginn des Jahres 2020 in die zweite Förderperiode gestartet. Für den Zeitraum von fünf Jahren unterstützt das BMFSFJ erneut zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie. Institutionen aus ganz Deutschland haben sich mit Projekten beworben, die Demokratie fördern, Vielfalt gestalten oder Extremismus vorbeugen wollen. Dabei werden die Projekte von bundesweiten Kompetenzzentren wissenschaftlich unterstützt, um eine hohe Qualität zu gewährleisten. Der Austausch im Netzwerk hilft dabei, die Modellprojekte übertragbar auf andere Orte und Einrichtungen zu machen.

Demokratieförderung bei Kindern
Das Modellprojekt „Die Kita als Lernort für Demokratie - Partizipation und Selbstbestimmung von Anfang an“ ist angegliedert im Handlungsfeld „Demokratieförderung“ und eins von acht Projekten in ganz Deutschland, das sich mit der Demokratieförderung im Kindesalter beschäftigt. Ziel ist es, die Kompetenzen von Fachkräften in Kitas aus Ostwestfalen-Lippe zum Thema Partizipation zu stärken. Dabei baut das Projekt auf bereits bestehende Erkenntnisse aus anderen Projekten aus ganz Deutschland auf. Durchgeführt wird es vom Bielefelder Verein Haus Neuland e. V., einem der größten freien Anbieter von Fort- und Weiterbildungen für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen.

Insgesamt 20 Kindertageseinrichtungen aus Ostwestfalen-Lippe nehmen an dem Projekt teil und führen partizipative Strukturen ein. In zwei Projektphasen werden je zehn Kita-Teams zwei Jahre lang von erfahrenen Coaches dabei begleitet, ihre eigene Haltung zum Thema Partizipation zu reflektieren und Beteiligungsprozesse von Kindern weiterzuentwickeln. Die erste Projektphase startete im Januar 2020. Zehn Kitas haben sich seither in der Entwicklung zu einer partizipativen Kita begleiten lassen. Mitte des Jahres 2022 begann die zweite Projektphase, in der weitere zehn Kitas aus Ostwestfalen-Lippe individuelle partizipatorische Strukturen für den Kita-Alltag erarbeiten.

Reflexion mit Coaches
Coaches unterstützen die Kita-Teams dabei, individuelle Lösungen für eine gelungene Partizipation zu finden. In Workshops in den teilnehmenden Kitas und in den Räumen von Haus Neuland e.V. hinterfragen die Fachkräfte eigene Gedanken, Denkmuster und Handlungsweisen zum Thema „Partizipation in der Kita“ und erarbeiten gemeinsam Strategien und Methoden. Zunächst analysieren die Coaches die Haltungen der Fachkräfte eines Teams: Wie wollen sie die Kinder beteiligen? Welche Grenzen setzen sie der Beteiligung? Wie wollen sie den Eltern begegnen? Denn nur eine offene Haltung und eine wertschätzende, anerkennende Kommunikation ermöglichen es den Kindern, ihre Fragen, Wünsche und Ideen einzubringen. Die Coaches fragen, wo die Kinder bereits mit- und selbstbestimmen, helfen bei der Ideenfindung für neue Partizipationsprozesse und bei Strategien für die Elternarbeit. Jede Kita ist unterschiedlich aufgestellt: Manche arbeiten bereits partizipativ, für andere ist das Thema neu. Wichtig ist nur, dass am Ende der zweijährigen Projektphase Partizipation in den Alltag der Kita eingezogen ist. Die Bedarfe der Kitas fallen dabei sehr unterschiedlich aus. So interessiert den städtischen Kindergarten „Die kleinen Grashüpfer“ zum Beispiel besonders, wie Partizipation in Verbindung mit Medien gestaltet werden kann. Die Kita „Leonardo“ hat sich bei dem Modellprojekt beworben, weil sich die Mitarbeiter*innen ein einheitliches Verständnis von Partizipation wünschen, um auch in der Elternarbeit kompetente Antworten zu diesem Thema zu geben. Die Kita „Queller Falkenküken“ wünscht sich Hilfe bei der Implementierung eines Kinderparlaments, das Familienzentrum „Spatzennest“ hingegen will eine gemeinsame Haltung zum Thema „Partizipation und Selbstbestimmung“ erarbeiten. Die erfahrenen Coaches, die die Kita-Teams auf ihren Wegen begleiten, helfen dabei, die selbstgesteckten Ziele nicht aus dem Blick zu verlieren und die eigene Haltung zu überdenken.
Parallel dazu nehmen aus jeder Kita bis zu zwei Fachkräfte an der Zertifikatsfortbildung zur „Fachkraft für Partizipationsprozesse in der Kita“ teil. Darin eignen sie sich in vier Modulen Fach- und Handlungswissen an, um während der Projektphase und auch danach das Thema „Beteiligung“ voranzutreiben. Darüber hinaus sollen die Fachkräfte erlernen, argumentativ Eltern und Kolleg*innen von der Notwendigkeit partizipativen Handelns zu überzeugen.

Gütesiegel „Partizipative Kita OWL“
Nach zwei Jahren werden alle teilnehmenden Kitas von Haus Neuland mit dem Gütesiegel „Partizipative Kita OWL“ ausgezeichnet. Das Gütesiegel steht auch dafür, dass die teilnehmenden Kitas ihre Fachkräfte immer wieder dazu ermutigen, Strukturen und Handlungsweisen zu hinterfragen und offen über das Thema „Partizipation“ zu sprechen. Die Pädagog*innen, die im Rahmen des Projekts fortgebildet wurden, tragen dazu bei, dass die Begeisterung für das Thema auch im Kita-Alltag nicht verloren geht.


Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 26.01.2023
© Innovationsportal

Ihr Kommentar zu diesem Beitrag. Dieser Beitrag wurde bisher nicht kommentiert.

 Weitere Beiträge nach Innovationsgebieten (Archiv).

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion von Bildung + Innovation erlaubt.

Die Redaktion des Online-Magazins Bildung + Innovation arbeitet journalistisch frei und unabhängig. Die veröffentlichten Beiträge bilden u. a. auch interessante Einzelmeinungen zum Bildungsgeschehen ab; die darin zum Ausdruck gebrachte Meinung entspricht nicht notwendig der Meinung der Redaktion oder des DIPF.

Inhalt auf sozialen Plattformen teilen (nur vorhanden, wenn Javascript eingeschaltet ist)

Teile diese Seite: